Hat dies auf Performer Transformer Wordformer rebloggt und kommentierte: Literaturplätzchen auf der Murinsel... ich war dabei
Fünf Freunde (manuskripte 211)
Mein Beitrag zu Heft 211 der manuskripte:
FÜNF FREUNDE
Love´s not the way you treat a friend.
Richard Brautigan
DAMALS
Vor dreizehn Jahren, sieben Monaten und siebzehn Tagen, oder vielleicht auch schon
vor vierzehn Jahren, einem Monat und sieben- oder gar neunundzwanzig Tagen, kurz:
damals, als ich kurz davorstand, die Stadt, die, damals noch, die meine war (& deine,
obwohl ich das, warum auch immer, immerzu zu vergessen pflege …), zu verlassen,
erzähltest du meinem ehemaligen engsten Freund (damals noch dein Kollege, oder?),
der – meinen alten Notizen zufolge – „verlässlich“ war (oder steht da: „vergesslich“?!),
was du von mir (mir, damals! [niemand, wirklich, an den man sich erinnern müsste …])
in Wirklichkeit, jetzt! (also damals), willst: zwei Kinder – & ein weißes Sommerkleid,
& heute – ist alles so geworden, wie du es dir vorgestellt hast: Das weiße Sommerkleid
ist da, & du bist da, & die zwei Kinder & ein Strohhut, & selbst ein Picknickkorb ist da
(fehlt nur ein Schirmchen auf den Renoir!) auf diesem Spielplatz, dieser Sommerwiese
im Park der Stadt, die immer deine war (& meine ist, auch wenn ich´s immerzu vergesse),
& dein Lachen ist da, wie immer, damals schon (stimmt: du warst die, die immer lachte),
& sogar ich: bin da, auch mich: sehe ich, auf diesem Bild (das keines ist, es ist ja wahr),
im weißen Licht über die Spielplatzwiese laufen – fangenspielend, mit dir –, & lachend
werde ich (von jemandem, der vergessen hat, dass wir uns kennen) mir selbst vorgestellt.
MANCHMAL
„Von mir aus könnte es immer so weiterregnen“, hätte ich damals denken können,
hätte ich damals vielleicht sogar denken sollen, denke ich heute manchmal, aber
in Wirklichkeit (das heißt: damals) dachte ich nicht an so was, dachte ich nur an –
ja, was eigentlich – eigentlich gab es damals wohl gar nicht so viel zu denken …
Wir saßen einfach da, auf deinem Sofa, du & ich, wir hatten immerhin ein Kind
zwischen uns sitzen – & bei dem kleinen Eisbären & bei Bob, dem Baumeister,
& bei dem warmen Regen, der da draußen: auf deinen Eisberg, meine Baustellen fiel,
fiel gar nicht auf, was mir nun manchmal einfällt – manchmal, wie gesagt, nicht oft.
NIE
Nie fällt mir ein, dass ich verliebt sein wollte
in eine Frau, die (damals) Frauen liebte: dich
z. B., & dennoch: denke ich an sie viel öfter
als an uns – das, was auch immer es nicht war
mit dir & mir … Bei ihr erinnere ich mich
gerade noch, dass es nicht viel war, was da
nie passierte – wenig, zumindest, zu wenig,
gewiss, um es jetzt immer noch nicht nicht
mehr zu verschweigen … Von dir jedoch
weiß ich nicht einmal das.
IMMER
Immer schaffte ich es dann am Ende doch nie,
dir zu sagen, was ich für dich nicht empfand –
aber etwas muss man doch auch nicht sagen
(hieße nichts nicht sagen denn nicht: sprechen?),
& so: brach ich also unser schönes Schweigen
erst, als die Straßenbahn in die Station einfuhr
& du wegen ihres Lärms nichts hören konntest.
Immer noch nicht stehe ich immer noch hier
an der Haltestelle, wo ich es immer noch nicht
nicht glauben kann, was ich dir damals sagte,
& immer noch nicht sehe ich dich immer noch
schön lächeln, & verständnislos, hinter der Scheibe –
damals, als die Straßenbahn dich wegbrachte
von mir, von uns, unserer Chance, für immer.
NICHT MEHR
Von deiner Stadt hab ich nicht mehr gesehen
als Paul Verlaine von Manchester, das heißt:
so gut wie nichts – wobei das „so gut wie“
dem Regen gilt, dem Schnee, dem Hagel
& all den andren 37 Arten des bekannten
terrestrischen meteorologischen Niederschlags.
Von deiner Stadt hab ich nicht mehr gesehen
als Regen, Hagel, Griesel, Graupel, Schnee
& Butter, die auf einem Crumpet schmilzt.
Am Morgen kamst du in mein Bett, & ich
las dir Verlaine vor, Souvenir de Manchester.
Es regnete noch immer, hinterher, als wir
im Nebel Richtung Busbahnhof spazierten.
.
[…] junge[n] Autoren” und geht auf einige der Textbeiträge ein – zu meiner Freude auch auf meinen eigenen. […]
Schöne, genaue Kritik von Timo Brandt zu den manuskripten 211 auf fixpoetry.com, auch zu diesen Gedichten – danke!
„Andreas Unterweger bringt fünf starke Liebesgedichte; eine sich zu Sinnlichkeitsketten verknotende Zeichensetzungsdichte, einfache Sprache, dazu die Unwägbarkeit der Erinnerung und die doch darin enthaltenen, nahen und fernen, Gefühle – mehr braucht es nicht.“
Timo Brandt, fixpoetry.com
http://www.fixpoetry.com/feuilleton/kritiken/helmut-moysich-marica-bodrozic-thomas-poiss-theresia-prammer-michael-donhauser-michael-hammerschmid/kornelia