Andreas Unterweger

„Wortnetze, in denen man sich gern verfängt“ (Kleine Zeitung v. 12.11.17)

Posted in manuskripte, Tingeltangel-Tour by andreasundschnurrendemia on 12. November 2017

Am 12.11.2017 in der Kleinen Zeitung: meine Rezension zum Gedichtband „Im Ausgehorchten“ von Hans Eichhorn, rotahorn-Preisträger 2017 – eine Hommage.

Erst der veröffentlichte Artikel …


… dann die Originalversion:

Die Stille ist ein Tun geworden

Die Gedichte des rotahorn-Preisträgers Hans Eichhorn schöpfen aus dem Schweigen

Die am lautesten schreien, sind nicht zwangsläufig jene, die am meisten Aufmerksamkeit verdienen. Diese alte Rotkreuz-Weisheit lässt sich glatt auf den Literaturbetrieb übertragen. Zu den so genannten „Stillen im Land“, die von den Literaturkritik-Sanitätern in ihrer täglichen Aufregung oft sträflich übersehen werden, zählt Hans Eichhorn.

Der 61-jährige Oberösterreicher erlebte den wohl größten medialen Hype um seine Person erst kürzlich, in diesem Sommer. Der im Zweitberuf als Fischer tätige Autor hatte, aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz, sein in den 90ern verlorenes Geldbörsel aus dem Attersee geangelt. Selbst Boulevardblätter berichteten. Um die knapp 30 Prosa- und Lyrikbücher, die er in den Jahrzehnten davor veröffentlicht hat, war es dagegen medial vergleichsweise still geblieben …

Die Stille, wenngleich eine ganz andere, wesentlichere, prägt auch Eichhorns jüngste Publikation, den Lyrikband Im Ausgehorchten. „Und plötzlich ist es still“, hebt etwa ein typisches Gedicht an, „Fast ein Atemanhalten und der Sinuston in den Ohren“ ein anderes, oder: „Die Stille des Hauses nimmt dich in ihre Mitte“.

Wie bei John Cage ist auch die Stille in Hans Eichhorns Gedichten nicht mit der Abwesenheit von Geräuschen gleichzusetzen. Sie bezeichnet vielmehr den Zustand einer gesteigerten Aufmerksamkeit, eine Bewusstseinsveränderung, durch die das lyrische Ich nicht unbedingt immer zur Ruhe, aber doch zu sich kommt. Die zumeist nächtliche Stille ist jener See, aus dem der Dichterfischer, „die Ohren […] geräuschgespitzt“, seine Sprachbilder holt. Titelgebend wird sie zum „Ausgehorchten“, zum Be- und Erschriebenen: „Und die Stille ist ein Tun geworden“, „erschwiegen die Schrift“.

Geräusche der Außenwelt (Autos, die Schreie der Blässhühner oder, um „Punktfünfuhrsiebzehn“, die Katze) verbinden sich mit nachwirkenden Skurrilitäten des öffentlichen Diskurses und dem permanenten inneren Lärm (Erinnerungen, Selbstgespräche, Zweifel …) zu meist kurzen, unprätentiös konzipierten Meditationen von poetischer Vieldeutigkeit – „nur nicht mit Logik die Sache verderben“. Beeindruckend, wie der Autor sein reduziertes Motivinventar immer wieder neu zu arrangieren vermag. Und wie er daraus dichte Wortnetze webt, in denen man sich beim Lesen gerne verfängt.

Am 13.11. bekommt Hans Eichhorn den von Saubermacher-Gründer Hans Roth gestifteten rotahorn-Preis verliehen. Die Jury (Alfred Kolleritsch, Barbara Frischmuth, Reinhard P. Gruber, Werner Krause) würdigt in ihm den „getriebenen Sprachwerker, der Fische aus dem Attersee und Wörter aus der Möglichkeitskiste zieht“. Die festliche Preisverleihung findet in der Steiermärkischen Landesbibliothek statt. In aller gebotenen Stille – es könnte also laut werden!

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Mit bestem Dank an Werner Krause für die professionelle und herzliche Betreuung/Zusammenarbeit!

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