manuskripte 224 – Präsentation
Nachtrag zum Termin:
26.06.2019, 19:00, Alfred Kolleritsch und Andreas Unterweger präsentieren die manuskripte 224. Mit Lesungen von Hans Eichhorn, Erwin Einzinger und Schauspielerin Sarah Sophia Meyer. Steiermärkische Landesbibliothek, 8010 Graz.
Heiß her ging es bei der Präsentation der manuskripte 224 – und das trotz der unverschämt angenehmen Kühle im Veranstaltungssaal der Steiermärkischen Landesbibliothek.
Der Saal war bis auf den letzten Stehplatz gefüllt, unter den Zuhörenden befanden sich erfreulich viele Schreibende wie etwa Christoph Dolgan, Günter Eichberger, Max Höfler, Heidi Wingler, Silvana Cimenti, Florian Dietmaier, Gerhard Melzer, Helmut Moysich und Klaus Hoffer. Danke fürs Kommen!
Ich eröffnete den Abend mit schönen Grüßen von Alfred Kolleritsch, der leider aus gesundheitlichen Gründen verhindert war. Zum Glück ist es nichts Ernstes – noch am Vormittag befand sich mein lieber Kollege wohl genug, um im Büro rund 23 Einsendungen abzulehnen.
Anschließend die ProtagonistInnen des Abends, zuerst die Doppelspitze der progressiven oberösterreichischen Literatur, Hans Eichhorn …
… und Erwin Einzinger:
Danach las Schauspielerin Sarah Sophia Meyer Gedichte von Yevgeniy Breyger, Lynn Salcom, Walle Sayer und Guillaume Métayer.
An- und abschließend reger Heftverkauf und Weingenuss!
Vielen Dank, liebe Katharina Kocher-Lichem und Christine Wiesenhofer für die Gastfreundschaft!
Unten noch weitere Infos zu manuskripte 224: Pressetext, Cover, Erwerbsmöglichkeit …
manuskripte 224: Lektüre für einen ganzen herrlichen Sommer …
… bietet die Ausgabe 224 der manuskripte. Davon kann man sich bereits bei der Präsentation des Heftes am 26.6. in der Landesbibliothek überzeugen. Die Erzählung des Dichter-Malers Hans Eichhorn liefert die Hintergrundstrahlung zum seesommerfrischen Grün seines Titelbilds, Erwin Einzinger entführt uns in die phantastischen Schattenbilder seiner Verstreuten Märchenbaumkalenderblätter, und Schauspielerin Sarah Sophia Meyer deklamiert die heißeste Lyrik der Gegenwart, darunter die eben erst mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichneten Gedichte Yevgeniy Breygers (D) sowie Texte der kanadischen Newcomerin Lynn Salcom und des aktuellen Styrian Artist in Residence des Landes Steiermark, Guillaume Métayer (F).
Weitere Hotspots des Heftes:
Warm und kalt gibt es für Peter Handkes Roman Die Obstdiebin in Leopold Federmairs Essay Im Wechselbad der Gefühle, Debütantin Freda Fiala führt uns mit ihren Gedichten durch die glühende Hitze Houstons, Ludwig Hartinger erklimmt überhaupt Lichtsteige.
Wem dies zu heiß ist, der halte sich an Almut Tina Schmidts Trostspender-Dramolette oder mag in Wolfgang Hermanns Garten am Meer, Bodo Hells Öde[r] Kirche oder gar Ingeborg Horns Zwei Paradiesen Abkühlung suchen. Und besonders lichtempfindliche LeserInnen folgen am besten Christoph Dolgan in die Elf Nächte und ein[en] Tag seines Romanvorabdrucks (Droschl, Herbst 2019) oder Michael Donhauser in die Sommernachtsepisoden seiner subtil formvollendeten Epoden.
Besonderes Augenmerk sei den essayistischen Beiträgen geschenkt: Christoph W. Bauer poetischer Erinnerung an Gert Jonke, Daniela Strigls euphorischer Diagnose des Morbus Setz oder Thomas Rothschilds Analyse des Gesamtwerks der jüngst mit dem Ehrenring des Landes Steiermark geehrten Barbara Frischmuth.
Den Auftakt bildet diesmal eine Marginalie der trotz ihrer Jugend schon langjährigen manuskripte-Autorin Gerhild Steinbuch: Ihre sprachlich fundierte Kritik an der „vermeintlich neuen sehr sehr alten Rechten“ macht deutlich, dass es im Widerstand gegen eine Politik, die die Freiheit der Kunst und Medien beschränken will, keine Sommerpause geben darf.
Alle Autor*innen des Hefts:
Thomas | Antonic |
Christian W. | Bauer |
(michael johann bauer) | blume |
Katharina | Bendixen |
Yevgeniy | Breyger |
Christoph | Dolgan |
Michael | Donhauser |
Hans | Eichhorn |
Erwin | Einzinger |
Freda | Fiala |
Leopold | Federmair |
Natascha | Gangl |
Helga | Glantschnig |
Ludwig | Hartinger |
Lydia | Haider |
Bodo | Hell |
Wolfgang | Hermann |
Ingeborg | Horn |
Sarah | Kuratle |
Guillaume | Métayer |
Jari | Niesner |
Barbara | Rauchenberger |
Thomas | Rothschild |
Lynn | Salcom |
Walle | Sayer |
Lisa | Spalt |
Almut Tina | Schmidt |
Daniela | Strigl |
Mikael | Vogel |
Die manuskripte 224 sind zu bestellen im umfassend bestückten Webshop:
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Oder unter: bestellung@manuskripte.at
Guillaume Métayer: Drei Gedichte (manuskripte 224)
Mein persönlich(st)er Beitrag zu Heft 224 der manuskripte sind diese Übersetzungen dreier Gedichte von Guillaume Métayer, zurzeit Styrian Artist In Residence des Landes Steiermark.
Während Guillaume Métayer in Frankreich eben mit seiner Übersetzung der gesammelten Gedichte Friedrich Nietzsches (in Form, sprich: Reim!), die auch im Bezug auf die deutsche Edition neue Maßstäbe setzt, große Erfolge feiert (s. etwa Rezension in Libération oder Le nouveau magazine littéraire) …
(Foto: lesbelleslettresblog)
… ist er hierzulande hauptsächlich als Dichter bekannt. Dies mag an seinem Gedichtband „Simulakren“ (Yara 2016) ebenso liegen wie an seinen Veröffentlichungen in den manuskripten (z. B. der Essay „Von unserem Sonderberichterstatter in Poesie“, manuskripte 218) und seinen Aufenthaltsstipendien im Rahmen des Styrian Artist in Residence-Programms (2017 und 2019).
(Der junge Nietzsche und sein Übersetzer [v.l.n.r.])
Für die eben erschienenen manuskripte 224 habe ich drei neue Gedichte übersetzt, die Métayers lyrische Bandbreite skizzieren – vom zeitkritischen, ebenso ironischen wie formvollendeten Sonett über die kurze subjektive Reflexion bis zum epischen Langgedicht à la István Kemény (den Métayer ins Französische übersetzt):
FB WORLD
Wir haben erfunden: das Buch der Gesichter
wo jedes Maul wie eine Flaschenpost ist
Wir sind alle zu schön jeder ein Spezialist
darin nett großzutun bei der Jagd auf Irrlichter
Seht hier unsere Posten und Pfoten und Dichter
unser bestes Profil Kleinkram der uns anpisst
Aber weil zurückschnellt was nicht abwürgbar ist
kommt unsere Traurigkeit hoch vor die Richter
Die Glätte des Bildschirms bietet keinen Stopp
Wir sind hier gefangen im großen Als-ob
beim Casting für ein terroristisches Stück
Trauerweide von Pest als Baum unsrer Ahnen
Passfotos wie Aschenfahnen
Fajumporträts sind wir Untote vor Glück
(Schauspielerin Sarah Sophia Meyer liest „FB World“ bei der Präsentation der manuskripte am 26.06.19 in der Stmk. Landesbibliothek, (c) manuskripte)
Recht
Papier Gewalt
Die in Wettbewerb tritt mit dem Gewicht eines Kindes
Tintenseerose
Die all die Zimmer füllt, all meine Zeit.
Verlorenes Juwel
Am Grunde eines Brunnens des Argwohns.
Tunnel der Pflichtfigur
Für den Vitruvianischen Menschen in seinem Spinnennetz.
Von einem nuklearen Epos
Rauch zwischen dem roten Blinken,
Aber die Installation ist nicht in Gefahr.
Das Wasser bleibt glatt, die Leere und die Wand intakt.
Im einzigen Strahl eines schüchternen Mondes
Badet die Spitze eines Zeigefingers,
Beladen mit unendlich codierten Wellen,
Vertrautes Labyrinth, Rivale trüben Wassers,
Milchstraßen, die sich in schwarze Löcher knüllen,
Sandrosen des Himmels …
Dieser Finger, der sich da windet, ähnelt
Einem jener Fische, die zum Licht hochschwimmen,
Wie in einem aufsteigenden Tanz, einem Karussell
Der Kegel, der Marionetten, deren Fäden das Licht wären
Und deren Magnet der Mondstein.
Oder der alte Bärtige, der diesen anstößigen Finger
Beunruhigt, dann befriedigt untersucht,
Erst ganz still, dann mit einem murrenden Sermon
Sicher stellt, dass seine unzähligen taktilen Kanäle
Ihren Platz auf seinem Zeigefinger eingenommen haben: er macht sich bereit, von der Höhe
Des Damms die längste Angel der Welt auszuwerfen,
Ganz hinunter, ganz hinunter, weit weg von diesem Rauch hier,
Der ganz hinauf, ganz hinaufsteigt, auf diesen Mond zu
Und dem Himmel gegenüber, die Hand in der Leere, fühlt er, wie
In Extase, weit weg, das Abendessen zappeln. Danach, es hinaufziehen,
Vorsichtig, über mehrere hundert Meter.
Dann essen, schlafen gehen, wie üblich,
Gemäß der persönlichen Philosophie des Hosha Suru,
Nach der die geringste falsche Bewegung
Einen Sturz aus dreihundert Metern zur Folge hat und den Tod,
Unweigerlich. Ideal einer absoluten Selbstbeherrschung,
Wo das geringste Stampfen für den Schläfer tödlich sein kann,
Außer wenn er in seinem Fall die raue Wand zu krallen kriegt
Und Halt findet in dieser Mauer ohne Griff, deren
Geringste Reliefs für Riesen bemessen zu sein scheinen.
So, mit dem fernen Schnee der Berge als Decke
Und dem blauen Himmel als Schal, nistend
Über diesen verlassenen Amphitheatern,
Diesen Gavarnie´schen Karen, die eine übermenschliche Technik
Von Insel zu Insel säte, als wahrer
Floh auf so manchem Argus aus Beton mit blinkenden Augen,
So lebt seit über zwanzig Jahren Hosha Suru,
Der Verstrahlte.
*
Die manuskripte 224 sind u. a. im manuskripte Webshop erhältlich!
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