Hat dies auf Performer Transformer Wordformer rebloggt und kommentierte: Literaturplätzchen auf der Murinsel... ich war dabei
„Leibnitzer Notizen“ (Lesung in der Galerie Marenzi)
Die schönsten Lesungsplakate verdanke ich immer Klaus-Dieter Hartls Galerie Marenzi in Leibnitz!

Mit „Leibnitzer Notizen“ waren einzelne Sätze gemeint, die ich in den letzten 5 Jahren, seitdem ich in Leibnitz wohne, in meine Notizbücher geschrieben habe.
Bis auf „Das Gelbe vom Jahr / Zugnotizen, September“ (manuskripte 214) habe ich nur Unveröffentlichtes gelesen.
Die Grundannahme der Lesung: Während für Norbert Trummers schöne Arbeiten die Zeichnung die Basis bildet, ist es bei mir der einzelne („wahre“) Satz, die Notiz.
Kurz habe ich auch darüber gesprochen, dass das Notizbuch für mich zwei Gesichter hat:
Einerseits ist es die Grundlage vieler „größerer“ Texte, auch Bücher, die ich zum Teil aus solchen Notizen komponiert habe („Das kostbarste aller Geschenke“, etwa).
Andererseits scheint mir, dass ich viele Dinge nur ins Notizbuch schreibe, um sie nicht woanders, beim richtigen Schreiben nämlich, zu verwenden.
Insofern ist das Schreiben von Notizen vielleicht am ehesten mit dem Träumen vergleichbar, das ja auch abwechselnd als Geheimerzählung unserer selbst einerseits und andererseits als Störgeräusch, das der neuronale Mistkübel beim Shreddern macht, interpretiert wird.
Dazu passt, dass ich traumlos schlafe, wenn ich gerade intensiv an einem Buch schreibe. Schreibe ich nicht, träume ich – und schreibe Notizen.
***
Mein Dank gilt Klaus-Dieter Hartl für die Einladung, Norbert Trummer für die wunderbare Kulisse und dem trotz Corona und Corona-Demo tapfer erschienenen Publikum! Dass auch Bürgermeister Helmut Leitenberger Zeit gefunden hat, hat mich besonders gefreut.
„Der vorletzte Leser“
Spät und ohne Worte, aber eine der schönsten „Rezensionen“, die ich je bekommen habe. Leopold Federmair und „Das kostbarste aller Geschenke“ …
Vielen herzlichen Dank!
(Fotos 2 und 3 natürlich von Leopold Federmair)
„Hölle Kitty“ (Poetin 25)
(und es gibt sie, tatsächlich, auf jedem Bild: nicht nur bei Picasso, Dora
Maar au chat, sondern auch auf dem Rahmen des Fensters, das man
durch das Klofenster des Zahnarzts sieht, in einer Ecke des Wand –
teppichs, den Jeanne in Une vie von Maupassant betrachtet, und sogar,
zu mehrt!, auf dem Foto, das der Lektor von seiner »Bücherwand
Rushmore« schickt), habe ich von meinen Kindern erlernt.
der – das Gesicht verzerrt und »Ich schießen euch alle nieder!« kreischend
– auf die Kinder in den anderen Autoscootern losschießt, wird
von seinen Eltern, die, wie wir, mit ihren Smartphones hinter der Bande
stehen, verzückt fotografiert.
und das ist hellblau und sehr, sehr klein!«
Das Kind, wie aus der Pistole geschossen: »Österreich!«
Der Vater: lacht.
Das Kind, beleidigt: »Da, auf dem Globus!«
Literaturmagazin
Herausgeber: Andreas Heidtmann
Konzept: Carolin Callies
Prosaredaktion: Katharine Bendixen
poetenladen, Herbst 2018
272 Seiten, 9.80 Euro
Weitere Texte aus „Hölle Kitty“ finden sich in der Anthologie „Verführung zum Staunen“ (hg. v. Friederike Schwab, Leykam 2016).
Der Traum der Katze
Heute, am 8.10.17, in der Kleinen Zeitung, aber auch morgen noch, und nicht nur für mich, mehr als schön zu lesen:
Gerhard Melzers Literaturgeschichte Nr. 16 – DER TRAUM DER KATZE. Andreas Unterweger und die schwankenden Böden der Wirklichkeit
„Der Traum der Katze“ als Word-Datei
Danke, lieber Gerhard Melzer.
Lieblingslieblingsrezensionen 2
Meine Bücher haben das große Glück, von klugen und gebildeten Leuten gelesen zu werden, die selbst sehr gut schreiben können … Hier zwei weitere meiner „Lieblingslieblingsrezensionen“ – vielen Dank!
Zu „Das gelbe Buch“:
„was ihr gelbes buch betrifft – bin ich voll des reflektierenden vergnügens.
habe darin kreuz & quer gelesen, geblättert, mich immer irgendwie darin flanierend zwischen den hauptabteilungen und sonstigen kleineren kapitelgruppen recherchierend herumgetrieben .. sehr angenehmer aufenthalt in diesem gelben buch: bislang kannte ich nur das gelbe haus oder den gelben klang .. also andere, ganz besondere kunstorte der gelben art, aber der autor ist da ja, wie merkbar, in bester gesellschaft – kandinsky & klee.
was mich als leser speziell vergnüglich stimmt, ist so etwas, was man eine gesteigerte aufmerksamkeit nennen könnte, die sich bei der lektüre (schon des registers, also von hinten her!) einstellt. das ist ein gutes zeichen – ist doch aufmerksamkeit das natürliche gebet der seele (dieser malebranche-gedanke hat eine sehr eigene geschichte, taucht in celans büchnerpreisrede auf, dort benjamins kafka-lektüre referierend .. – das führt sehr weit weiter ..) – was ich sagen will, ist doch einfach: es ist ein gutes buch, dem man viele leser wünscht.“
(Herr aus Graz-Umgebung)
Zu „Das kostbarste aller Geschenke“:
„Vor ein paar Monaten notierte ich mir ein paar plastische Sätze Mirós:
„Für mich sollte ein Gemälde Funken versprühen. Es sollte einen blenden
wie die Schönheit einer Frau oder eines Gedichts […] . Es sollte sein
wie die Steine, die die Hirten in den Pyrenäen benutzen, um sich die
Pfeifen anzuzünden. Die Kunst mag untergehen – was zählt ist die Saat,
die sie auf der Erde verteilt hat.“ In diesem Sinne hat mich das wunderbare
„kostbarste aller Geschenke“ in Gehalt und Form berührt, angeregt, so
sehr es mich auch zum Schmunzeln und Lachen brachte, auch nachdenklich
gestimmt, mir aus Bildern Filme gemacht, Assoziationen geweckt, eigene
Fragen (Sorgen) und Rätsel ausgedrückt, aufgeworfen. Vielleicht sind
Aphorismen, Fragmente, Notizen dieser Art besonders geeignet, eine
solche Spur zu hinterlassen, also im Sinne Mirós: einen fruchtbaren
Grund. Ich danke dafür, ja ich glaube, dass sich (von der
Kunst) nicht mehr (das ist ja schon so viel), nichts Wertvolleres
erwarten lässt. Übrigens steht der Fluss ganz sicher still, während wir
strömen. Ich beobachtete es über Weihnachten wieder, nur das Licht zieht
mit.“
(Dame aus der Schweiz)
Eine Art Heimkommen
Besser zwei Monate zu spät als drei … Nachtrag zum Termin:
25.04., 17:15, Andreas Unterweger liest im Akademischen Gymnasium, Raum E 17. Bürgergasse 15, 8010 Graz. Eintritt frei. Mit kleinem Buffet.
Hier einige Fotos von dieser äußerst gelungenen Veranstaltung, die zum Großteil (inkl. langwieriger Terminverhandlung und Buffet!) von der Schülervertretung organisiert wurde. Reife Leistung!
Mein Dank gebührt insbes. Viktor Mutic (links), Noah Westermayer (Mitte) …
… und Fr. Direktorin Mag. Hildegard Kribitz!
Ich habe mich sehr gefreut, im Publikum einige meiner Lehrer wiederzusehen (hier mit meinem ehemaligen Klassenvorstand Mag. Christiane Schribertschnig) …
… aber die Tatsache, dass doch verhältnismäßig viele Schülerinnen und Schüler gekommen sind, hat mich am meisten beeindruckt. (Und das am Nachmittag! Freiwillig!) Wenn ich da an mich selbst mit 17 denke …
Lieber nicht! In der schönen April-Gegenwart war jedenfalls auch die verantwortungsvolle Aufgabe „Büchertisch“ fest in Schülerinnenhand – und wurde von Lola Knoch und ihrer Freundin Caro hervorragend gemeistert (vielen Dank!). Ich musste also nur noch lesen …
… und zwar jeweils den Anfang jedes meiner Bücher, garniert mit ein paar literarischen Anekdoten betreffs Schulfreunden und Lehrerfreunden. Alles in allem also eine bewegende Zeitreise …
… ja, vielleicht sogar …
Danke, liebes Akademisches!
Kleine Zeitung und orf.at zum manuskripte-Preis
Am 07.04. erhielt ich einen überraschenden, äußerst informativen Anruf von Julia Schafferhofer, der erst ein Telefoninterview mit einer Reihe kluger, sehr genauer Fragen und schließlich unten stehenden Artikel zur Folge hatte. Vielen Dank für die gute Nachricht! Und das nette Gespräch!
(Online nachzulesen auf: http://www.kleinezeitung.at/s/kultur/4964288/ManuskriptePreis_Andreas-Unterweger_Saetze-sind-zum-Strengsein-da)
Nachdem ich gerade „Doktor Faustus“ lese, gefällt mir der Titel besonders gut. Ich weiß nicht, ob ich so eine Formulierung verwendet habe oder ob sie Julia Schafferhofers Zusammenfassung meiner bestimmt viel vageren, weitschweifigeren Antworten darstellen, aber: ja, der „strenge Satz“ des Komponisten Adrian Leverkühn ist ein Konzept, das mir ebenso reizvoll wie vertraut erscheint.
*
Und auch orf.at hat über den manuskripte-Preis 2016 berichtet. Mit Statements zu Andreas Unterberger (:-)) und von Kulturreferent LR. Dr. Christian Buchmann (danke, freut mich!).
Hier mit Link nachzulesen:
orf.at über den manuskripte-Preis 2016. Mit Statement von LR Buchmann.https://t.co/KnbMgZOpwM
— Andreas Unterweger (@AndreasUnterweg) April 10, 2016
Und hier ohne Link:
Andreas Unterweger bekam „manuskripte“-Preis
Der „manuskripte-Preis“ des Landes Steiermark wird seit dem Jahr 1981 vergeben, bis 2006 jährlich, seit 2006 alle drei Jahre. Erster Preisträger war Alfred Kolleritsch, letzte Preisträgerin war 2013 Monique Schwitter.
Bereits mehrfach ausgezeichnet
Der Preis dient – wie die Zeitschrift „manuskripte“ selbst – der Förderung der jungen deutschsprachigen Literatur und wird an eine Autorin oder einen Autor für eine anerkennungswürdige literarische Leistung auf dem Gebiet der Lyrik, der Prosa, des Dramas oder des Essays vergeben.
Heuer nun geht der Preis an Andreas Unterberger: Der gebürtige Grazer hat unter anderem einen Roman und eine Novelle veröffentlicht. 2007 erhielt er den „manuskripte-Förderungspreis“ der Stadt Graz, 2010 den Literaturförderungspreis der Stadt Graz.
„Gewicht und tiefere Bedeutung“
Die Begründung der Jury: „Die Werke von Andreas Unterweger sind geprägt durch große stilistische Feinsinnigkeit und präzise Beobachtungen scheinbarer Nebensächlichkeiten, durch die rare Gabe, kleinen Dingen große Bedeutung zu verleihen. Seine Werke, oft nur aneinandergereihte Miniaturen, formen sich zu Geschichten des Vorangehens und Sich-Zurechtfindens, sie weiten das gegenwärtige Leben ins Vergangene und Zukünftige aus, sie schaffen Platz im Durcheinander der Welt durch das Namengeben aller Dinge. Seine Erzählungen, Naturschilderungen, Beziehungsgeschichten wirken fast schwerelos in ihrem Erzählton; gerade daraus ergibt sich ihr Gewicht und ihre tiefere Bedeutung.“
Buchmann: „Heimat stets sehr verbunden“
„Ich freue mich, dass die Literaturjury des Landes empfohlen hat, den manuskripte-Preis an Andreas Unterweger zu verleihen. Er zählt zu den bedeutendsten jungen Schriftstellern in Österreich, der seiner Heimat stets sehr verbunden ist und über die Grenzen hinaus ein wichtiger Botschafter des Kulturlandes Steiermark ist“, so Kulturlandesrat Christian Buchmann (ÖVP).
orf.at, 10.04.2016
Lesefest 2016 (Update)
Es freut mich sehr, dass ich nach einem Jahr Pause wieder am Lesefest des Kulturzentrums bei den Minoriten, Graz, teilnehmen werde! Zumal es erstmals eine, wohl bewusst außerhalb des Bundeslandes angesiedelte Jury gab, um die Lesenden zu bestimmen (Univ. Prof. Dr. Martin Sexl, Literaturwissenschafter an der Universität Innsbruck, und Dr. Sylvia Treudl aus dem Leitungsteam des Literaturhauses Niederösterreich)*. Vielen Dank für die Einladung!
Am Format hat sich nichts geändert: jeder Autor liest ca. 8 Minuten selbst und stellt einen anderen 3-4 Minuten lang vor. Es ist also so ähnlich wie früher beim Weihnachswichteln.
Das Lesefest findet am 05.03. ab 14:00 im Kulturzentrum bei den Minoriten, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz, statt.
Heuer soll ich ausnahmsweise gleich zwei Vorstellungen machen.
Im Leseblock ab 17:00 (ca. 17:36) spreche ich über den mir noch völlig unbekannten, in Tirol lebenden Schriftsteller Martin Kolozs. Ich bin gespannt.
In der Gruppe ab 18:00 (ca. 18:51?!) spreche ich über die Wiener Lyrikerin Verena Stauffer – was mich begeistert, da ich als Redakteur der manuskripte bei ihrer Endeckung erste Reihe fußfrei dabei war.
Und um Punkt 19:30. lese ich, als Erster des Leseblocks (also bitte nicht zu spät kommen), aus „Das gelbe Buch“.
Vorgestellt werde ich, das zweite Mal nach 2012, von meiner geschätzten Kollegin Natascha Gangl – freut mich!
Hier das gesamte Programm – mit so großartigen Kolleginnen und Kollegen wie Franz Weinzettl, Gerhild Steinbuch, Clemens Setz, Wilhelm Hengstler u. v. a. m.
Hier ein paar Highlights meiner vergangenen Teilnahmen:
2011: Lesung aus „Du bist mein Meer“, Einführung Erika Kronabitter
2012: Ich über Linda Stift
2014: Friederike Schwab über „Das kostbarste aller Geschenke“
2014: Song für Pollanz – ich über Wolfgang Pollanz
*Früher war man als steirischer Autor quasi automatisch nominiert, sobald man im Vorjahr ein Buch veröffentlicht oder einen Literaturpreis gewonnen hatte. Mittlerweile kämen nach diesen Kriterien vermutlich schon allzu viele Autorinnen und Autoren zusammen.
„Sonst kann ich nix!“ (Gespräch über das Schreiben)
Nachtrag zum Termin:
14.09.2015, 20:00, Andreas Unterweger und “Das gelbe Buch” zu Gast in Barbara Belics “Das rote Mikro”, Radio Helsinki.
Aus Freude über die von Barbara Belic so schön gestaltete Sendung (gute Fragen!, gute Musik!, guter Schnitt! usw.) – ein Transkript ihres Interviews mit mir (hier nachzuhören):
„Sonst kann ich nix!“
Andreas Unterweger im Gespräch mit Barbara Belic
Ausschnitte aus der Radiosendung „Kindheitsutopie und ein doppeltes Reisebuch “
Sendungszeit: 14. September 2015, 20 Uhr
Sendereihe: Das rote Mikro: Literatur (Radio Helsinki)
Redakteurin: Barbara Belic
Transkript: Sarah Stadler
Musik: Bob Dylan „Time Out Of My Mind“ 1987, tr 2 Dirt Road Blues + „Blood On the Tracks“ 1974, tr 2 Simple Twist Of Fate + „Modern Times“ 2006, tr 7 Beyond the Horizon + „Tempest“ 2012, tr 3 Narrow Way
Barbara Belic:
Andreas Unterweger entwirft in seinem jüngsten Werk ein Land der Kindheit, wie es schöner kaum sein könnte: mit einer kleinen Bubenschar, deren Wortführer Biber, dem Großvater, dessen Freunden und Nachbarn, der Katze Mia, einem Garten mit hohen Bäumen, einem Fluss, in dem man baden kann, und sehr, sehr viel von der Farbe Gelb. Deswegen lautet der Titel auch „Das gelbe Buch“. Die idyllische Welt der kleinen Buben ist aber nur eine Ebene des Buches.
Andreas Unterweger:
Der Erstimpuls zu dem Buch kam schon 2007, ausgelöst durch einen neuen Ort. Ich bin damals nach Niederösterreich gezogen, in ein kleines Haus an einem Fluss in einer Aulandschaft, wo ich mit einer völlig neuen Fauna konfrontiert war, mit Bibern und Waschbären, Baummadern usw. Und die erste Idee, glaube ich, war, ein Kinderbuch zu schreiben mit einem Biber als Helden. Das blieb aber eine vage Idee. Ich hab dann mein erstes Buch fertiggeschrieben und nicht mehr drüber nachgedacht. Und dann in einer schlaflosen Nacht, 2008, wo so Geräusche auf dem Dachboden waren, ein Getrippel und Gekratze und Gescharre, kam dann der erste Text, das erste Kapitel, „Alter Waschbär“, nachzuhören in der Sendung von 2012. (lacht) Auf meiner Homepage kann man es noch runterladen.
Barbara Belic:
Warum hat das dann so lange gedauert, bis dieses Buch fertiggeworden ist? Du hast ja inzwischen andere veröffentlicht.
Andreas Unterweger:
Das Buch hätte das zweite Buch werden sollen. Wie gesagt, ich hab 2008 im Spätsommer damit begonnen und war 2008 im Sommer mit meinem ersten Buch fertig. Da kamen dann auch noch wichtige Lektüreerlebnisse dazu: Richard Brautigan, „In Wassermelonen Zucker“, wo auch eine Welt entworfen wird, die irgendwie außerhalb der unseren steht, ganz absurd zum Teil und wunderschön. Mir fast noch ein bisschen zu viel Plot, das wird ja noch unglaublich spannend im zweiten Teil. (lacht) Das ist gar nicht notwendig meines Erachtens. Ja, und da hat sich die Möglichkeit aufgetan, etwas ganz Eigenartiges zu schaffen, eine Welt zu schaffen durch Sprache, eine Welt, die nicht gedeckt ist durch Autobiographie, sondern gedeckt durch gewisse Impulse des Ortes usw. Also autobiographisch ist das auf keinen Fall. Eine extrahierte Märchenkulisse ist es, die ich mir da zusammengeschustert habe und an der ich eine Riesenfreude hatte. Weiteres Futter waren noch kybernetische Aufsätze, die ich damals gelesen habe. Ich habe zwar im Großen und Ganzen nichts verstanden davon, aber ich war von den Sätzen und von der Sprache fasziniert. (lacht) Da kamen viele Tautologien usw. in das Buch hinein, Heinz von Foerster und, wie heißt er, Herr [= Ernst] von Glasersfeld, Klassiker der Kybernetik. Ja und lang gedauert hatʼs dann … Es hat einfach seine Zeit gebraucht, es ist relativ dick, es sind viele Kapitel, ich weiß nicht, insgesamt 150 Kapitel oder mehr.
Barbara Belic:
Es sind aber sehr kurze Kapitel.
Andreas Unterweger:
(lacht) Ja, kurze Kapitel, die haben oft auch eine längere Entstehungsgeschichte, manchmal. (lacht) Wir haben dann Kinder bekommen, recht bald, zumindest das erste Kind. Und mir sind dann diese Kinderbücher, also die Bücher über Kinder, dazwischengekommen. Zuerst „Du bist mein Meer“, ein Buch über die Schwangerschaft, das also wirklich fast bis zum Tag der Geburt meines ersten Kindes geschrieben wurde. Und dann das zweite Buch, „Das kostbarste aller Geschenke“, über das Leben mit dem Kind, die Veränderungen. Das waren einfach Dinge, die drängend und wichtig waren für mich, aber mit dem „Gelben Buch“ nicht so viel zu tun hatten. Aber „Das gelbe Buch“ war immer da. Also ich habe Phasen gehabt, wo ich dann nur an dem geschrieben habe. Parallel nie, also Monate an dem und dann Monate an dem. „Das gelbe Buch“ zu schreiben war einfach die größte Schreibfreude überhaupt. Also ich habe da ja wirklich eine kindliche Freude gehabt an dieser Welt und an den Dingen, die den Protagonisten zustoßen. Damals hatte ich auch viel Zeit zum Schreiben. Da waren immer so drei, vier Tage am Stück, die ich dann nur zum Schreiben hatte und wo ich ganz in die Landschaft um mein Haus eintauchen konnte. Da war ich allein im Haus, mit meinem Computer, mit der Katze, mit den Tieren rundherum und konnte das Buch, obwohl es nicht autobiographisch ist, so richtig leben. Ich habe da auch wirklich ein Mordsarbeitstempo draufgehabt für meine Verhältnisse, oft so vier Kapitel am Tag, was für mich sehr, sehr viel ist.
Barbara Belic:
Du hast jetzt über die Entstehungsgeschichte deines „Gelben Buches“ gesprochen. Das Buch, würde ich sagen, hat zwei Ebenen, was der Klappentext so beschreibt: „Poetischer Eigensinn als Kindheitsutopie, ganz ohne Rücksicht auf die ‚Aufgaben der Literatur‘ – oder“, und das ist jetzt der Punkt, den ich meine, „oder Wittgenstein als Kinderbuch gewissermaßen, angereichert mit höheren und tieferen Witzen, Fotos, Rechenaufgaben und mehreren Motti zur freien Wahl.“ Wie interpretierst du das: „Wittgenstein als Kinderbuch“?
Andreas Unterweger:
(lacht) Ja, wie gesagt, es sind gewisse Einflüsse aus eher theoretischen Texten in dem Buch drinnen, Kybernetik und zum Teil tatsächlich Wittgenstein, wobei es mir immer eher um die Sprache dieser Autoren geht, weil das sind ja auch Autoren. (lacht) Ich bin nicht so ein großer Philosoph oder Denker, um da folgen zu können weiß Gott wie weit. Aber die Sprache fasziniert mich. Dass der Wittgenstein ein großer Dichter ist, das ist eh bekannt seit der Wiener Gruppe, die auch in das Buch eingeflossen ist, zum Teil. Und das Buch, würde ich sagen, ist eben nicht nur eine Märchenwelt, in der amüsante Dinge passieren, sondern es hat durchaus einen gedanklichen Hintergrund, wie auch immer man den dann definieren will. Ein Aspekt, dem ich insofern Rechnung getragen habe, als es zwei Verzeichnisse gibt. Im Anhang gibt es so ein paar Dinge, die es normalerweise im Anhang gibt: Inhaltsverzeichnis und so was wie eine Entstehungsgeschichte und kleine theoretische Bemerkungen zum Buch. Und es gibt dann auch zwei Inhaltsverzeichnisse: das eine konzentriert sich eben auf den inhaltlichen Aspekt und das andere gliedert denselben Inhalt nach anderen Gesichtspunkten, nämlich theoretischen. Und da gehtʼs dann um Dinge wie „Identität und Differenz“ usw., immer natürlich auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen. (lacht) Es ist kein theoretisches Buch, aber das steckt eben auch drinnen.
Barbara Belic:
Du legst in deinen Büchern immer großen Wert auch auf die äußere Form. Warum?
Andreas Unterweger:
(lacht)
Barbara Belic:
(lacht) Das tun ja nicht alle Schriftsteller.
Andreas Unterweger:
Ja, also mir persönlich ist die Form eigentlich wichtiger als der Inhalt. Wie etwas gesagt wird, ist mir weitaus wichtiger, als was gesagt wird. Das, was gesagt wird, ergibt sich dann eh aus dem, wie es gesagt wird in meiner Erfahrung. Also, Form ist mir sehr wichtig. In diesem Buch gibt es verschiedene Formspielereien. Unter anderem schauen manche Kapitel so aus wie Gedichte, würde ich sagen, wo die Zeilen alle die gleiche Länge haben und in der Mitte so eine Art Refrain immer wiederkehrt, zentral gesetzt. Es war natürlich eine Heidenarbeit, das dann beim Layouten so ins Buch rüberzukriegen. Was bei mir im Manuskript drei Zeilen waren, waren dann im Buch vier oder fünf Zeilen, und das musste man dann zum Teil neu schreiben oder umschreiben. Aber für mich stimmt das so, also die Form ergibt sich beim Schreiben für mich von selbst, und sie ist mir eine große Hilfe aus verschiedensten Gründen. Unter anderem aus dem, dass das sonst einfach ausufert. Also, wenn ich die weiße Seite vor mir hab, die ist beängstigend groß, aber wenn ich dann weiß, ok, das sind jetzt fünf mal drei Zeilen, das ist etwas, was ich schon schaffen kann: Drei Zeilen hab ich geschafft und noch einmal drei, na das, (lacht) das ist etwas, was ich kann, und es hilft mir auch beim Konzentrieren. Es ist unglaublich, wie Dinge oft zusammenschrumpfen, die zuerst auf drei, vier Seiten gehen, und dann denkt man sich „nein, das labert und labert und irgendwie, das ist es noch nicht wirklich, nicht wirklich konzentriert und nicht wirklich witzig oder pointiert. Wenn man das dann verknappt, ist es erstaunlich, wie kurz man werden kann, und es wird so viel besser. Die Sprache nimmt immer Abkürzungen – das Denken, was in dem Buch auch drinnen ist, das Denken ist etwas, in meiner Erfahrung etwas, was unglaublich langwierig ist. Man geht von einem kausalen Schluss zum nächsten, dann erklärt man wieder was und wieder, es ist ein langer Weg. Aber das Schreiben macht Kurzschlüsse, und man kann von A nach Z mit einem Satz springen, und da steckt eigentlich der ganze Weg drinnen, der dann gar nicht gesagt werden muss.
Barbara Belic:
Nach all dem, was du da erzählst, müssten dir eigentlich Haikus sehr nahe sein.
Andreas Unterweger:
Ja, das sind sie auch, ich habe große Sympathie für die Form. Als ich so zwanzig Jahre alt war, glaube ich, habe ich sogar versucht, Haikus zu schreiben. Da gibtʼs sehr schöne Versuche von Oulipo-Autoren, wenn wir schon von der Form sprechen. (lacht) Eine französische Bewegung, ich weiß gar nicht, wie aktuell sie noch ist, die nur mit Formspielereien gearbeitet haben. Der Formzwang war da ganz wichtig. Da gabʼs von der Michelle Grangaud ein schönes Experiment, die Sonette von Joachim de Bellay aus dem 16. Jahrhundert hergenommen hat und aus diesen Sonetten jeweils ein Haiku destilliert hat, wo sie nur Wörter verwendet hat, die in dem Sonett drinnen waren, und daraus hat sie dann ein Haiku gemacht. Und in dem Haiku steht, ja, oft steht das Gleiche in viel kürzerer Form drinnen, und manchmal ganz was anderes. Ein sehr schönes Experiment, über das ich einmal eine Proseminararbeit geschrieben habe. Und ich habe das dann auch probiert mit anderen Gedichten, ist lustig, aber das nur am Rande, ja. (lacht) Also vielleicht schreibe ich so was wie Prosa-Haikus zum Teil. (lacht)
Der Gegensatz zwischen Idylle und dem Sich-mit-dem-Denken-die-Welt-Verstellen oder zwischen Idylle und Philosophie, wenn man so will, ist in dem Buch eben auch insofern drinnen, als man bei den Figuren recht schön beobachten kann, dass sie ständig Probleme wälzen, wo der Leser erkennt, das sind in Wirklichkeit keine Probleme. Aber für die kleinen Buben sind es Probleme und wir wissen dann, das sind in Wirklichkeit Synonyme, tja. Also zum Beispiel das Problem mit Tomatensauce und Paradeissauce: Tomatensauce hassen sie, aber Paradeissauce ist ihre Lieblingsspeise. Das klingt vielleicht superdämlich beim ersten Mal Hören, (lacht) aber das ist belegt, also diese Dinge passieren ja wirklich bei Kindern. Man sieht dann da, wie sich die Protagonisten mit dem Denken, mit zu viel denken und zu viel Sprache die Schönheit der Welt verstellen. Also die gute Paradeissauce verstellen sie sich durch das falsche Wort. Und ich habe mir gedacht, dass man vielleicht von dieser Welt auf unsere Welt schließen kann, dass es uns vielleicht ähnlich geht, und wir uns selbst auch durch Denken und Sprache oft die Welt mehr verstellen als erhellen.
Barbara Belic:
Das sagt einer, der sich mit Sprache sehr intensiv beschäftigt. (lacht)
Andreas Unterweger:
(lacht) Gezwungenermaßen, sonst kann ich nix! (lacht)
Barbara Belic:
(lacht) Sagt Andreas Unterweger mit für ihn typischem Understatement.
…
B: Andreas Unterweger liest nun einige Ausschnitte aus seinem „Gelben Buch“. Er beginnt mit dem Kapitel Die Glocken von Hoboken oder Der Palast des Biberkönigs. Hoboken ist eine kleine Stadt in New Jersey und liegt am Hudson River, direkt gegenüber von Manhattan. In Andreas Unterwegers Buch ist es eine Art Sehnsuchtsort, inspiriert von einem Song von Bob Dylan, darin heißt es: „Crossing the bridge, going to Hoboken / Maybe over there, things ain’t broken“.
Und wie es sich im Alltag äußert, wenn einem „die Form eigentlich wichtiger [ist] als der Inhalt“, sieht man unten:
Metropolitane Menschenkinder (Zu: Iris Hanika, „Wie der Müll geordnet wird“
Hier meine Rezension zu Iris Hanikas neuem Roman, deren kürzere Fassung am 22.03.15 unter der schönen Überschrift „Gänzlich unbeschützt im Weltenall“ in der Kleinen Zeitung erschienen ist.
METROPOLITANE MENSCHENKINDER
Iris Hanikas neuer Roman vereinigt Grant und Menschenliebe zu einem packenden Panorama, das weit über Berlin hinausreicht.
„Wie der Müll geordnet wird“ erinnert mich daran, wie es war, meinen Berliner Kollegen B. ebendort auf ein Eis zu treffen. Zur Begrüßung hieß es: „Ich hab gar keine Zeit!“, dann schimpfte er über sein Fahrrad, über „Kreuzkölln“, über Touristen (wie mich) …
B. grantelte aber auf so intelligente, witzige, ja, liebenswürdige Weise, dass wir drei Stunden immer noch eifrig plaudernd beisammen saßen. Im Freien. Im Herbst. Bei 0 Grad Celsius.
Mit Hanikas Buch mag es einem anfangs ähnlich ergehen: Antonius ist mit dem Leben fertig. Er will allein leben, „nur noch sinnlose Dinge tun“, also sortiert er den Müll in den Tonnen.
Das klingt grantig, ist aber – dank Hanikas kunstvollen Sprachspielen, die Essays über UDSSR-Literatur, Oden auf Windräder und barocke Reyen einbetten – höchst unterhaltsam!
Zudem zeigt sich bald, was den Antrieb des Suhlens im Sinnlosen ausmacht: eine in diesem Kontext erstaunliche, erstaunlich offen gezeigte Zuneigung, ja, Liebe zu den Menschen.
Erstaunlich auch die Wende in Teil zwei: Aus losen Handlungsfäden knüpft die Berliner Autorin eine packende Geschichte, Antonius´ Vorgeschichte, die mehrere Personen in ein wildes Beziehungsgeflecht stürzt.
Was wird das? Eine urbane Romanze wie ihr Bestseller „Treffen sich zwei“? Ein germanistischer Krimi, der um „das Eigentliche“, die deutsche Nazivergangenheit, kreist?
Beides – und doch etwas ganz anderes, Allgemeineres … Nachdem die Liebe, der alle zu Füßen liegen, alle kräftigst mit denselben getreten hat, senkt sich der Vorhang der Nacht über Hanikas großartiges Theatrum mundi: „und alle Menschenkinder liegen unbeschützt im Weltenall, wie sie das immer tun“.
Iris Hanika. Wie der Müll geordnet wird. Roman. Droschl 2015. |
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