Andreas Unterweger

Frühling 23 im Forum Stadtpark

Posted in manuskripte, Tingeltangel-Tour by andreasundschnurrendemia on 19. Juni 2023

„Frühling 23“: ein ebenso lebendiger wie legendärer Abend in der prall gefüllten Räuberhöhle unter dem Forum Stadtpark – wie schön, dass ich Fiston Mwanza Mujila, den Literaturreferenten des Forum Stadtpark, dabei unterstützen durfte!

Vielen Dank für Deine wunderbare Idee und den herrlichen Ankündigungstext, lieber Fiston!

Diesmal ging es nicht um die Zeitschrift manuskripte, sondern um die Manuskripte von 23 großteils noch zu entdeckenden Autorinnen aus Graz.
Während es einigen von ihnen bislang tatsächlich gelungen ist, ihr Schreiben geheimzuhalten, stehen andere kurz vor dem ersten Buch (wie etwa Florian Dietmaier, manuskripte-Förderpreis 2018) oder haben schon Bücher veröffentlicht (z.B. Mario Hladicz). Manche der Auftretenden sind hingegen eher aus anderen Sparten bekannt wie etwa Romana Rabić, die großartige Musikerin (Pekua pekua) und mittlerweile auch Schauspielerin („Frieda“), Lisa Schantl (Herausgeberin Tint Journal und Übersetzerin) oder der Soziolge Raffael Hiden.

Diese 23 Autor*innen verwandelten den Forum-Keller in einen Hexenkessel:

  • Saifullahi Abdurrazak
  • Roohullah Borhani
  • Hannah Bönisch
  • Theresia Bachmeier
  • Florian Dietmaier
  • Anna Hengstberger
  • Raffael Hiden
  • Mario Hladicz
  • Abelina Holzer
  • Fatah Farzam
  • Julia Knaß
  • Florian Labitsch
  • Julia Lacina
  • Anna Neuwirth
  • Ljudmila Neuhold
  • Judith Pataki
  • Sarah Preiß
  • Romana Rabić
  • Lisa Schantl
  • Klaus Schinnerl
  • Wittrich
  • Babsi Woi-Paierl
  • Angelika Kobl

Die Fotos zu den Namen sind ganz einfach selbst zuordnen – kleiner Hinweis: gelesen wurde in der in obiger Liste nicht unbedingt eingehaltenen alphabetischen Reihenfolge, während die Lesenden auf den Bildern in zur Chronologie umgekehrter Ordnung aufscheinen (wenn man unter chronologischer Ordnung von links nach rechts und von oben nach unten versteht). Außerdem zu beachten: Kristina Gorke las den Text von Raffael Hiden und Anna Neuwirth las vor Julia Knaß, auch im geographischen Sinn, da diese sich schon während Annas Lesung hinter sie auf die Bühne gesellte. Übrigens waren die Fotos nicht nur lichttechnisch eine Herausforderung, da ich ja zeitgleich auch den Timer für jeweils 5 Minuten zu stellen und zu überwachen, immer wieder einmal die Glocke für Zeitüberschreitung zu läuten und mir Notizen zu machen hatte.

In meiner Eröffnungsrede sprach ich u.a. darüber, wie ich glücklich sei, dass die manuskripte mit diesem Abend dazu beitragen könnten, jungen Schreibenden eine breitere Plattform zu bieten. Die manuskripte veröffentlichen zwar in jeder Ausgabe Debüts (zuletzt etwa Simon Skrepek und Sean Pfeiffer), aber da wir dieselbe qualitative Messlatte an Erstveröffentlichungen wie an Texte arrivierter Autor*innen legen, kommen zwangsläufig wenige in den Genuss. Andererseits besteht in genau dieser strengen Auswahl der Wert von Veröffentlichungen in den manuskripten, und tatsächlich führen diese regelmäßig zu Buch-Publikationen in österreichischen und deutschen Verlagen.
Schlusssatz meiner Rede:
„Nicht jedes literarische Meisterwerk nimmt seinen Anfang in den manuskripten, aber jedes Meisterwerk war einmal ein Manuskript.“

Ich danke allen Lesenden ganz herzlich für ihre Darbietungen! Ihr habt nicht nur brav (in Bezug auf das Zeitlimit von 5 Min.), sondern auch gut gelesen, und das quer durch die Bank. So war es ein äußerst kurzweiliger Abend, jeder der Texte hatte seine Qualitäten, und Fiston und ich freuen uns auf eine Fortführung im kommenden Jahr!

Hier gibt es Ausschnitte zum Nachhören – danke, Radio Helsinki:

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*In meiner Eröffnungsrede wies ich freilich darauf hin, dass die manuskripte (die Zeitschrift) aus eben solchen Manuskripten noch zu Entdeckender entstanden sind – wie allseits bekannt und berühmt, versammelten diese jungen Dichter (Alfred Kolleritsch, Alois Hergouth …) am Vorabend der Eröffnung des Forum Stadtpark am 4.11.1960 ihre Manuskripte, Hedwig Wingler tippte sie im Keller (wo unsere Lesung stattfand!) ab, man vervielfältigte sie mit einer Matritzenmaschine und schrieb auf die Titelseite den naheliegenden Namen der neuen Zeitschrift:

Mehr dazu im Film „manuskripte – der Stadtspaziergang“, v.a. im Interview mit Hedwig Wingler (ab 15:09):

„Das Schweigen ansprechen“ (4.10.20, Forum Stadtpark)

Posted in Uncategorized by andreasundschnurrendemia on 9. Oktober 2020

Nachtrag zum Termin:
Das Schweigen ansprechen. Wie man über Schweigen schreibt und wie man über Schreiben schweigt. Eine Literarische Matinee im Forum Stadtpark“
Literarische Matinee von und mit den Styria Artists in Residence Tanja Sljivar (SRB) und Vera Schindler (D) und der Schauspielerin Ninja Reichert.
Lesung, Film, Diskussion mit den Künstlerinnen, Heidrun Primas und Andreas Unterweger.
Forum Stadtpark, 04.10.2020, 11 Uhr.
Eine Kooperation von Forum Stadtpark, manuskripte und St.A.i.R. (Styria Artist in Residence) des Landes Steiermark.

V.r.n.l.: Heidrun Primas, Vera Schindler, io mio.
Foto: Jennifer Eckert (danke!)

Eine spannende Literaturveranstaltung erwuchs aus einem der ersten Gespräche, die ich mit Vera Schindler in Graz führte. Vera ist Dramatikerin aus Berlin, wurde ab diesem Semester an der Wiener Schule für Dichtung angenommen und derzeit Styria Artist in Residence des Landes Steiermark in Graz, wo sie von mir organisatorisch betreut wird.

Andreas, ungefähr so: Hier ist der Schlüssel, hier ist der Corona-Test, dann ist die Vorstellungsrunde, und wann und wo machen wir dann eine öffentliche Präsentation deiner Arbeit?
Vera hingegen: Eine Lesung? Warum? Ich schreibe doch, das muss reichen.

Aus dieser dialektischen Spannung und ihrer Vorliebe dafür, sich durch ihre künstlerische Arbeit zu artikulieren, anstatt ihre Person in die Öffentlichkeit zu stellen, entwickelte Vera gemeinsam mit Tanja Sljivar, ihrer Styria Artist-Kollegin aus Serbien, eine erstaunlich komplexes Konzept für einen Vormittag, der sowohl künstlerische als auch kulturpolitische Brisanz in sich barg.
Efreulicherweise erklärte sich Heidrun Primas vom Forum Stadtpark, das Tanja Sljivar betreut, bereit, die Veranstaltung ins Forum-Programm aufzunehmen.

Dort haben die Autorinnen den Vormittag so angekündigt:

„Eine Autorin, die das Blatt leer lässt. Ein Buch ohne Buchstaben. Ein Umschlag ohne Inhalt. Ein ungeposteter Post. Eine wortlose Diskussion.
Ein schweigendes Gespräch._
Das Schweigen ansprechen.Wie man über Schweigen schreibt
und
wie man über Schreiben schweigt.Eine Lesung und ein Gespräch über Künstlergespräche“

Heidrun Primas begrüßte:

Ninja Reichert las Vera Schindlers Standortbestimmung:

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist 20201004_112130.jpg.
Hinten, im Bildvordergrund: Vera Schindler. Auf der Bühne vorne, im Bildhintergrund: Ninja Reichert

Tanja Sljivar kombinierte auf famose Weise Textsplitter über das Wesen der Arbeit mit Songs quer durch die Musikgeschichte, von der kommunistischen Arbeitsverherrlichung bis zum Gastarbeiter-Lied:

Tanja Sljivar und Vera Schindler

Anschließend entspann sich eine selten gesprächige Diskussion über Wohl und Wehe der verschiedenen Arten des Schweigens in der Kunst mit dem zahlreich erschienen und hochkarätig besetzten Publikum:

Ninja Reichert und Vera Schindler

Ich steuerte u.a. Erfahrungsberichte aus der eigenen Schriftstellerexistenz bei (so wurde mir etwa vor meinem Debüt der Rat gegeben, mich künftig relativ beliebig zu möglichst vielen Themen via Zeitung/Internet zu Wort zu melden, um nur ja wahrgenommen zu werden, im Gespräch zu bleiben, Werbung für meine Bücher zu machen – leider nicht mein Ding [aber es gibt ja genug hochmotivierte Kolleg*innen]) und Erfahrungen aus Jurysitzungen, in denen Künstler*innen, deren Arbeiten politiker- und mainstreammedienfreundlich in Themen gefasst werden können (und damit weniger offen, letztlich weniger widerständig sind), in letzter Zeit einen Startvorteil zu haben scheinen.

Ich danke den beiden Künstlerinnen sowie Heidrun Primas und ihrem Team für diesen so fleißig zugebrachten Sonntagvormittag!

V.r.n.l.: Heidrun Primas, io mio, Vera Schindler.
Foto: Jennifer Eckert